Die Emotion Ärger unterstützt Durchsetzung und erfüllt das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit. Ärger wird z.B. ausgelöst, wenn uns etwas hindert, ein Ziel zu erreichen, bei Unrecht oder Wertverletzungen. Ein der Situation jeweils angemessener Ausdruck von Ärger ist demnach gesundheitsfördernd und hat einen funktionalen Zweck. Wird hingegen Ärger oder Wut unterdrückt, kann dies zu verschiedenen psychischen Störungen wie Depression oder Angststörungen führen.
Anmerkung: In der der einschlägigen Literatur wird die Basisemotion „Ärger“ verwendet, was m.E. Wut mit einschließt.
Ein „gesunder“, angemessener Ausdruck hängt also von der jeweiligen Situation ab, und Ärger äußert sich in der Mimik, Stimme und Körperhaltung. Für andere Personen ist meistens die Änderung der Stimme am auffälligsten, die dann z.B. gereizt, resoluter oder lauter klingt („die Stimme erheben“).
Bezüglich Umgang mit Ärger/Wut stellten sich mir die folgenden Fragen:
Die neurologischen Reaktionen auf Wut beinhalten eine Aktivierung des limbischen Systems, eine erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen und eine Erhöhung der Körperbereitschaft für schnelle Reaktionen. Gleichzeitig wird die Fähigkeit zum rationalen Denken eingeschränkt, was zu impulsiven Entscheidungen führen kann. Wenn Wut regelmäßig oder unkontrolliert auftritt, kann sie langfristige Auswirkungen auf das Gehirn und die Gesundheit haben.
Es werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Adrenalin führt zu einer schnelleren Herzfrequenz, erhöhter Blutzirkulation und erweiterten Atemwegen, um den Körper mit mehr Energie und Sauerstoff zu versorgen. Cortisol hilft dabei, den Körper auf längere stressige Phasen vorzubereiten, indem es den Zucker- und Fettstoffwechsel anregt.
Anderen Stressmodellen zufolge steigen bei Ärger besonders die Spiegel von Noradrenalin und Testosteron an.
Die Wutreaktion stimuliert das sympathische Nervensystem, das für die Kampf-oder-Flucht-Reaktion verantwortlich ist. Dadurch wird der Körper auf eine schnelle körperliche Reaktion vorbereitet.
Während Wut aktiviert wird, wird der präfrontale Kortex (der Bereich des Gehirns, der für rationales Denken, Problemlösen und Impulskontrolle zuständig ist) gehemmt. Das bedeutet, dass eine Person in diesem Zustand weniger in der Lage ist, klar zu denken oder die langfristigen Konsequenzen ihrer Handlungen zu überdenken. Entscheidungen werden stärker durch emotionale Reaktionen gesteuert.
Ein angemessener Umgang mit Wut umfasst mehrere Aspekte, die sowohl die Wahrnehmung als auch den Umgang mit dieser Emotion fördern.
Wichtig ist, die Wut zu erkennen, also bewusst wahrnehmen, und zu akzeptieren. Sie dient dazu, ein aktuelles Bedürfnis zu erfüllen, wie z.B. Grenzen zu setzen oder etwas zu erreichen.
Nimm dir Zeit, bevor du auf deine Wut reagierst. Atme tief durch oder entferne dich kurz aus der Situation“.
Beispiel: „Ich brauche kurz eine Minute, um meine Gedanken zu sammeln.“
Vermeide impulsives Schreien, Beleidigen oder Handlungen, die du später bereuen könntest. Statt Vorwürfe zu machen („Du bist schuld!“), beschreibe deine Gefühle und Bedürfnisse: „Ich bin enttäuscht, weil…“. Beispiel: „Ich bin verärgert, weil ich das Gefühl habe, nicht gehört zu werden“
Es wird angenommen, dass aufgestaute Wut eng mit der Entstehung von Angstzuständen und Depressionen verbunden ist. Personen, die ihre Wut häufig zurückhalten, neigen dazu, das Gefühl zu entwickeln, dass ihre eigenen Bedürfnisse oder Emotionen nicht legitim sind. Dies kann zu einem niedrigen Selbstwertgefühl führen und Schamgefühle verstärken.
Auswirkungen auf den Körper sind chronischer Stress, was zu einer dauerhaften Aktivierung des sympathischen Nervensystems und einer kontinuierlichen Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol führt. Langfristig kann dieser Zustand den Körper in einen Zustand ständiger Erschöpfung versetzen, was zu Schlafstörungen, erhöhter Reizbarkeit und einer schlechteren Immunabwehr führt. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die ihre Wut regelmäßig unterdrücken, ein höheres Risiko haben, an Bluthochdruck und anderen stressbedingten Erkrankungen zu erkranken. Wut und Stress können zu einer Anspannung der Muskulatur führen, insbesondere im Nacken- und Schulterbereich. Diese Verspannungen können chronische Schmerzen und Kopfschmerzen verursachen, die durch die wiederholte Anspannung entstehen.
Neurologisch funktioniert das Aufstauen von Wut folgendermaßen: Unterdrückte Wut aktiviert langfristig das sympathische Nervensystem, das für Kampf-oder-Flucht-Reaktionen zuständig ist. Wenn ein „Tropfen das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringt“, wird diese gespeicherte Spannung plötzlich abgebaut. Emotionen wie Wut sind evolutionär darauf ausgelegt, schnell abgebaut zu werden – beispielsweise durch körperliche Aktivität, Ausdruck oder Lösung des zugrunde liegenden Konflikts. Wenn Wut jedoch unterdrückt wird, bleibt die neuronale Aktivität, die mit dieser Emotion verknüpft ist, im limbischen System aktiv. Sie wird nicht vollständig „entladen“.
Diese Aktivität kann zu einer Art „emotionalem Stau“ führen. Der Hippocampus speichert die emotionalen Kontexte (z. B. ungerechte Ereignisse), während die Amygdala bereit bleibt, auf diese Reize zu reagieren, sobald sie wieder auftreten. Dieser Zustand führt zu einer latenten Anspannung, die sich bei erneuter Aktivierung schnell in plötzliche Ausbrüche umwandeln kann.
Wiederholte Aktivierung der Amygdala macht sie empfindlicher. Schon kleine Auslöser können eine überproportionale Wutreaktion auslösen, da das limbische System „überladen“ ist. Der präfrontale Cortex, der normalerweise die Emotionen kontrolliert, wird bei chronischem Stress oder wiederholter Unterdrückung weniger effizient. Dies bedeutet, dass die Kontrolle über impulsive Reaktionen, also die Fähigkeit zur Emotionsregulation, abnimmt.
Im Coaching sollen emotionale Blockaden gelöst werden, indem es dem Gehirn ermöglicht wird, vorhandene belastende Erfahrungen zu verarbeiten, Neues zu lernen und Einsichten zu gewinnen. Dadurch lösen sich Traumata, emotionale Blockaden oder dysfunktionale Glaubenssätze auf.
Emotionsregulation erfolgt, indem der präfrontale Kortex aktiviert wird und das limbische Stressnetzwerk, das für die Belastung bzw. die emotionale Blockade verantwortlich ist, beruhigt wird. Dafür ist es notwendig, dass wir im Prozess aufkommende Wut nicht lautstark ausagieren, sondern lediglich beobachten, sodass das limbische Stressnetzwerk durch eine Aktivierung des präfrontalen Cortex beruhigt wird (Stichwort „bineuronale Aufmerksamkeit“).
Je nach Klienten, kann aber auch ein anderer Umgang mit Wut angemessen sein. Hat ein Klient oder eine Klientin seine Wut lange Zeit unterdrückt, so macht es Sinn, dass er diese laut ausagiert, um zu sehen wieviel Wut da ist, um überhaupt einen Zugang zu seiner Wut zu bekommen und die gespeicherte Energie abzubauen. Außerdem nimmt er wahr, wieviel Kraft in ihm vorhanden ist und er fühlt sich danach gestärkt und in seiner Energie. Da Emotionen noch eine gewisse Zeit nachwirken, schwächt sich die Wut nur langsam ab, sodass es etwas dauert, bis die kognitive Leistungsfähigkeit wieder voll hergestellt ist bzw. der präfrontale Cortex wieder vollständig aktiviert ist („emotionale Persistenz“).
Die Wut im Prozess auszudrücken, macht ausnahmsweise dann Sinn, wenn die Wut lange aufgestaut wurde und ein Coachee grundsätzlich bis dato keinen Zugang zu seiner Wut hatte. Für nachhaltige Veränderungseffekte ist es aber besser, die Wut bzw. den Ärger bewusst wahrzunehmen und einfach nur Gedanken, Bilder und Gefühle wahrzunehmen. Dadurch werden emotionale Blockaden nachhaltig gelöst.